Verbrennungs- oder Elektromotor
Verbrennungs- oder Elektromotor?
Nur wenige Themen teilen die Nation derzeit so wie das Thema Automobil. Wird in den Medien ein Bericht über Elektromobilität veröffentlicht, kommt die Verbrennerfraktion um die Ecke und schießt aus vollen Rohren gegen die Elektromobilität. Das gleiche geschieht, wenn über neue Verbrennungsfahrzeuge berichtet wird. Sofort kommen aus der E-Ecke entsprechend negative Kommentare. Und das ist nett ausgedrückt. Es gibt zwei Lager, die sich unvereinbar gegenüberstehen.
Warum ist das so?
Haben wir nicht alle das gleiche Ansinnen? Wir wollen uns ein schönes Auto kaufen und damit Spaß haben. Jeder hat seine Vorlieben an Fahrzeuggröße und Antriebsart. Benzin, Diesel, Gas und neuerdings auch elektrisch.
Jetzt haben wir schon oft erlebt, dass sich die Antriebsarten, besser gesagt der Tankinhalt geändert hat. Fuhren wir am Anfang alle mit Benzin, wurde irgendwann der Diesel im Pkw hoffähig. Die Autos wurden als lahme Kisten beschimpft und wären nur für Taxis brauchbar. Aber wenn einer der Meinung war, einen Diesel zu fahren, war es den anderen egal. Es gibt auch die LPG- oder Autogas- Fans. Auch das war ein großer Hype. Zu tausenden wurden Motoren umgebaut. In Foren wurde fleißig diskutiert, welche Motoren brauchbar wären und welche nicht. Es gab Diskussionen über Additive und Ventilschaftdichtungen. Aber Ablehnung, weil da kein Benzin in den Tank kommt?
Warum polarisiert das Elektroauto so stark?
Die Elektromobilität ist anders. Ja, es ist auch ein Auto, aber es macht keinen Krach und es stinkt nicht. Und jedes Autos sendet eine Botschaft an den Betrachter, ob er nun will oder nicht. Manche nehmen wahr: Der ist umweltfreundlich und ich nicht. Wer hat das schon gern? Wenn ich im Straßencafe sitze und der Krach der Autos wäre weg, es würde nicht nach Abgasen riechen, dann würde mir die Schokotorte und der Kaffee viel besser schmecken. Menschen, die an Hauptstraßen wohnen, könnten bei offenem Fenster schlafen und Kleinkinder würden an den Straßen keine Abgase in die kleinen Lungen gepustet bekommen.
Kann man dafür das Elektroauto ablehnen?
Die Elektromobilität nimmt uns die Freiheit!
Da wird bei den meisten die Höchstgeschwindigkeit gedrosselt. Und dann muss ich bei Vollstrom schon nach 150 bis 200 km wieder an die Ladesäule. Ich will so schnell fahren, wie ich will. Und 1.000 km muss ich mindestens schaffen.
Geht es beim Auto nicht einfach nur um Mobilität? Mal Hand aufs Herz: Ist in einem 1 bis 2m³ großen Blechkasten eingesperrt zu sein Freiheit? Erzählt das mal den Menschen in der Ukraine, im Iran oder in China. Den verfolgten Minderheiten in der Welt. Definieren wir Freiheit wirklich damit, mit 200 über die Autobahn zu rasen, und ist das ein Grund, einen Elektroantrieb abzulehnen?
Die Elektromobilität verhindert die Technologieoffenheit!
Ist das so? Suchen Sie mal nach neuen Technologien auf der IAA seit Anfang der 1970er. Die dort präsentierten Neuheiten zeigen, dass wir schon sehr lange eine Technologieoffenheit haben. Oft wurden neue Antriebsarten vorgestellt. Wasserstoff war auch schon Anfang der 1970er dabei. Fast serienreif. Es gab die Ölkrise und 1973 sogar autofreie Sonntage. Schon damals war bekannt, dass Schadstoffe in der Luft verringert werden mussten, und es wurden schon damals erste Schadstoffgrenzwerte festgelegt.
Aber die Automobilbranche hat nicht auf die Zeichen reagiert. Die Gier nach kräftigen Gewinnen war größer, als sparsame oder saubere Fahrzeuge zu entwickeln. Die ersten Elektroautos wurden nicht weiterentwickelt, das 1-Liter-Auto ist nie gekommen. Es hätten in den letzten 50 Jahren ganz andere Voraussetzungen für heute geschaffen werden können. Die Freiheit der Konzerne zur Technologieoffenheit wurde nicht genutzt. Stattdessen: immer größer, schwerer, schneller.
Jetzt haben wir den Salat. Wir könnten heute alle mit Wasserstofffahrzeugen unterwegs sein oder das BEV könnte heute vielleicht schon 1.000 km Reichweite haben, hätten damals die Konzerne die Technologieoffenheit genutzt. Jetzt wo es zu spät ist, ist der Aufschrei groß.
Muss man deswegen das Elektroauto ablehnen?
Die Elektromobilität ist doch so dreckig!
Sollten wir nicht das Gesamte betrachten und mal schauen, wo wir herkommen und wohin der Weg gehen könnte? Darf ich die Verbrennertechnologie außer Acht lassen und nur auf eine Seite schielen?
Der menschengemachte Klimawandel ist Fakt. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Wir müssen also weg von der CO2-Erzeugung hin zu einer sauberen Energie. Diese Energie haben wir mit Sonne und Wind in unbegrenzter Menge. Mittlerweile erzeugen wir in Deutschland fast 50 % unseres Stroms aus Erneuerbarer Energie. Wohlgemerkt Strom, nicht die gesamte Energie. Dies bedeutet, wir müssen nicht nur auf 100 % Strom aus EE kommen, sondern auf 100 % der gesamten Energie aus EE. Unsere Latte liegt also um einiges höher. Der schnellste Weg ans Ziel zu kommen: Wir geben alle unsere Autos ab. Wir nutzen nur noch öffentliche Verkehrsmittel, das Fahrrad (ohne Akku) oder gehen zu Fuß.
Wollen wir das?
Genau aus diesem Grund müssen wir beide Seiten der Mobilität betrachten und auch die Energieoffenheit für Wasserstoff und eFuels. Dreckig sind alle Antriebsarten. Egal ob wir in das Auto einen Akku einbauen oder einen Tank. Für beides müssen wir weiter unseren Planeten plündern und Rohstoffe abbauen. Dies haben wir auch schon für Verbrenner und deren Entwicklung getan. Entschwefelung von Diesel, Legierungen für Stahl wegen höherer Belastungen immer kleiner werdender Motoren. Auch für die dafür benötigten Stoffe haben schon Kinder in Kobaltminen geschuftet, wurden Millionen von Litern Trinkwasser vergeudet und Landschaften verschandelt. Sich also bei der Elektromobilität darüber aufzuregen, ist nichts als Heuchelei. Bis auf die Entschwefelung von Diesel treffen die anderen Punkte auch heute noch zu. Was machen wir dann mit den erzeugten Produkten? Wir bauen einen komplizierten, mechanischen Motor, befeuern ihn mit fossilen Rohstoffen und nutzen 25 bis 30 % der eingesetzten Ressource für den Vortrieb und vernichten den anderen Teil in Abgase und Wärme. Nicht sehr effizient.
Auch für den Akku treffen die Umweltaspekte zu. Das ist nicht zu bestreiten und macht die Technik noch nicht besser. Der Unterschied ist, dass wir zum einen von der eingesetzten Ressource Strom rund 95 % in Vortrieb umsetzen und zum anderen mit dem Akku eine Kreislaufwirtschaft umsetzen. Die Akkus gehen nach ihrem Einsatz im Pkw erst in das sogenannte Second Life und arbeiten dort noch eine ganze Zeit als Stromspeicher. Danach werden sie dem Recyclingkreislauf zugeführt, in dem aktuell schon über 90 % der Stoffe zurückgewonnen werden können. Wir schonen mit dem Akku künftig die Umwelt, weil wir aus den alten Akkus neue herstellen können und weniger Rohstoffe abbauen müssen.
Der Vorteil des Elektroautos liegt weiter darin, dass wir den aus EE erzeugten Strom direkt über den Akku verwerten können. Gehen wir auf Wasserstoff und eFuels ein, müssen diese beiden Stoffe erst durch hohen Energieeinsatz erzeugt werden. So benötigt ein Wasserstoffauto 3 bis 4mal soviel EE-Strom wie ein Batterieelektrisches Auto. Dies führt dazu, dass wir bei der Betrachtung der Entstehungskette von der Stromerzeugung, über den Transport, bis zum fertigen Produkt im Akku oder Tank eine genaue Rechnung aufstellen können.
Beim Akku landen 77 % des erzeugten Stroms im Akku.
Bei Wasserstoff landen 30 % des erzeugten Stroms nach Umwandlung in H2 im Tank.
Bei eFuels landen 13 % des erzeugten Stroms nach Umwandlung als Sprit im Tank.
Aus dieser nachweisbaren Kette lässt sich einfach schlussfolgern, dass derzeit die Verwendung des BEV die sinnvollste Art ist, Energie zu sparen. Sind das Gründe gegen die Elektromobilität?
Elektroautos machen Spaß!
Die meisten werden die Videos kennen. Das Tesla-Grinsen. Die erste Mitfahrt in einem Tesla und der Gesichtsausdruck des Beifahrers beim Tritt auf das Fahrpedal. Die Videos, in denen selbst kleine Elektroautos auf den ersten 50 bis 100 Metern Sportwagen davon fahren. Vielleicht haben Sie aber auch schon mal ein Elektroautotreffen gesehen und mitbekommen, wie leise es sein kann, wenn mehrere Elektroautos losfahren. Die Ruhe im Innenraum, das ist schon toll.
Aber da sind doch keine Emotionen. Da fehlt der Auspuffsound und das Röhren des Motors. Aber liegt das nicht im Auge des Betrachters? Der eine mag das sonore Brummen des Diesels. Ein anderer mag das Hochdrehen eines kleinvolumigen Turbo-Motors und das Pfeifen des Whastegate. Oder wie wäre es mit dem Röcheln, wenn ein großvolumiger Saugmotor auf die 7.000 Umdrehungen dreht. Dem Blubbern eines V8-Motors. Die absolute Ruhe beim Beschleunigen mit einem leichten Pfeifen des Inverters.
Ist es nicht genau das, was die automobile Vielfalt ausmacht? Nicht nur wir Menschen sind Individuen, das könnte man auch über die Autos sagen. Jedes ist anders und alle zeichnet etwas anderes aus. Und für jeden Topf gibt es einen Deckel, der für ein glückliches Gesamtpaket sorgt.
Fazit
Wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringt. Geht es nach den Zukunftsforschern, werden wir in 20 Jahren gar keine eigenen Autos mehr haben. Autos bewegen sich autonom, werden mit dem Mobiltelefon herbeigerufen, bringen uns zum Ziel. Danach holen sie den nächsten Fahrgast. Immer in Bewegung, super ausgelastet. Wir haben keine 48 Millionen Fahrzeuge mehr in Deutschland sondern nur noch 15 Millionen.
Lasst uns also gemeinsam den aktuellen Zustand genießen. Die einen freuen sich noch über Motorsound, und die anderen genießen das leise Gleiten und Ihren Strom vom eigenen Hausdach. Aber eine Bitte. Seid alle offen für Neues. Wenn ein Fahrzeugkauf ansteht, denkt an die Zukunft und geht Richtung emissionsfrei. Wir haben das Ziel, kein CO2 zu emittieren.
Bernd Schubinski
PS: Wer sich umfassend informieren möchte, dem empfehlen wir den Blog vom Graslutscher. In sechs Folgen betrachtet er die Energiewende und natürlich auch die Elektromobilität. Sehr informativ.